Thema des Monats November 2020

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TRAININGSPRINZIPIEN
Superkompensation und steigende Belastung

Immer höher, schneller, weiter? Geht das? Aus meiner Erfahrung heraus kann ich dazu ein klares «Ja» sagen. Es geht immer etwas mehr: wenn wir unsere Grenzen im Kopf sprengen, die wissenschaftlichen Grundlagen bezüglich der Steigerung unserer Leistungsfähigkeit ergründen und vor allem das Ganze auch umsetzen.
In der Trainingslehre sind verschiedene Prinzipien bekannt, die auf eine Leistungssteigerung verweisen. In diesem Artikel befassen wir uns mit zwei dieser Prinzipien: der Superkompensation und der steigenden Belastung.

1. SUPERKOMPENSATION

Dieses Trainingsprinzip beschreibt, dass zwischen den Belastungen (Trainings) genügend Erholung erfolgen sollte, um im folgenden Training eine Leistungssteigerung zu erzielen: Nach einem Training sind unsere körperlichen Strukturen (Muskeln, Faszien, Sehnen, Bänder, Knochen, Herz-Kreislauf-System etc.) ermüdet und ihre Leistungsreserven sind erschöpft. So sollte es jedenfalls nach einem Training sein. Wer also zu wenig seinen Körper fordert, scheitert schon hier. Nun nehmen wir uns nach der Ermüdung eine Pause, in der wir unserem Körper genügend Zeit zur Erholung geben. Ist die Pause lang genug und geben wir unserem Körper auch all das, was er zur Regeneration braucht (Baustoffe wie Eiweisse und Vitalstoffe, Energie in Form von Kohlenhydraten, Schlaf usw.), dann erholen sich die körperlichen Strukturen nicht nur…sie erfahren sogar ein «Mehr» – ein Potential an Steigerung der vorangegangenen Leistung.

Ganz einfach erklärbar ist dies am Beispiel der Haut: Arbeiten wir mit unseren Händen, z.B. bei Gartenarbeit, so bekommt unsere Haut Druck und unter Reibung verlieren wir Haut. Diese Haut wird anschliessend in einer Regenerationsphase neu aufgebaut. Und nicht nur das: es kommt noch ein «Mehr» hinzu: Hornhaut. Hornhaut ist das sichtbare Ergebnis der Superkompensation. Unser Körper bereitet sich so auf neue Belastungen vor, indem er sich wappnet und lieber noch ein «Mehr», ein Potential an Leistungssteigerung draufsetzt.
Wenn wir nun genau an diesem Punkt des «Mehr» – am gesteigerten Leistungspotential – eine neue Belastung ansetzen, dann werden wir immer schneller, höher, weiter, breiter, schlauer usw. Dieses Prinzip gilt für JEDE Leistung unseres Körpers. Das bedeutet im Training besserer Resultate in der Kraft, im Muskelaufbau, im Ausdauerbereich. Dieses Prinzip funktioniert auch im Gedächtnisbereich: eine immer schnellere Auffassungsgabe ist das Ergebnis regelmässigen Lernens mit entsprechenden Pausen. Und es erklärt auch im Bereich der Gewichtsreduktion den Jojo-Effekt: hier erfolgt bei Hungern eine Fetteinspeicherungs-steigerung…denn unser Körper ist immer auf Überleben aus.

Als Schlussfolgerung des Vorherigen ergibt sich daraus, dass nun auf das vorangegangene Training ein neues Training erfolgen muss. Aber wann sollten wir wieder trainieren? Wie lang soll denn die Pause sein? Wann genau ist der Punkt des «Mehr» an Leistungsniveau?
Für diese Erklärung benötigen wir noch das Verstehen eines weiteren Trainingsprinzips:

2. PRINZIP DER STEIGENDEN BELASTUNG

Es besagt, dass in jedem Training eine Steigerung der Belastung erfolgen muss!

Zunächst sollte man also überhaupt wieder trainieren. Denn ist die Pause zwischen den einzelnen Trainings zu lang, sinkt die Leistung rapide und man setzt an einem tieferen Leistungsniveau an. Training sollte also nicht mal zu Ostern und zu Weihnachten erfolgen, sondern regelmässig. Und dazu muss in jedem Training die Belastung gesteigert werden.

Aber warum? Wie oft höre ich als Trainerin: «Das geht doch nicht! Da bekomme ich doch viel zu dicke Muskeln! Ich will mich nicht ständig steigern, das brauche ich nicht! Mir reicht’s, wenn es so bleibt!»

Nun, was passiert, wenn wir immer das gleiche machen? Anfangs mag ein ungewohntes Training sich sehr streng anfühlen. Aber aus der Erfahrung wisst ihr alle: irgendwann hat man sich daran gewöhnt! Und was passiert, wenn man sich an etwas gewöhnt hat: Nichts mehr!
Um dies zu verhindern, ist regelmässiges Training und eine Steigerung der Belastung notwendig. Und ob man hierbei dicke Muskeln bekommt oder die Ausdauer verbessert: das entscheidet sich bei Einhaltung eines weiteren Trainingsprinzips, das in nächster Zeit von unserem SUN-Fitness-Team vorgestellt wird.

Als Belastungssteigerung kommen hierbei folgende Varianten in Betracht:
• Erhöhung der Reizdauer: Wiederholungsanzahl, Sätze, Zeitumfang, Trainingseinheiten, Trainingshäufigkeit
• Erhöhung der Belastungsintensität: Gewichtssteigerung, Frequenzerhöhung, Verkürzung der Pausen, Reizdichteerhöhung
• Allmähliche und sprunghafte Steigerungen
• Variierenden Belastungssteigerungen (neue Übungen, neue Rennstrecken, Variation von Übung, Satzzahl, Wiederholungszahl, Pausendauer, Gewichtshöhe, Bewegungsdynamik)

Hierbei gelten folgende Regeln: Umfang vor Intensität steigern, allmähliche Steigerungen vor sprunghaften Steigerungen.

Und wie lang sollte nun die Pause zwischen den einzelnen Trainings, Sätzen usw. sein?

Grundsätzlich ist das sehr individuell und hängt von verschiedenen Faktoren ab: Alter, Leistungsniveau, Trainingsart etc.
Es gibt aber einen Punkt, an dem klar ist, dass die Pause genau richtig lang war. Und zwar:

Immer dann, wenn wir unsere Leistung steigern können, ist das Prinzip vom richtigen Verhältnis von Pause und Belastung (=Superkompensation) gut eingehalten und das folgende Training setzt genau an dem Punkt an, wo unser Leistungsniveau sich nicht nur erholt, sondern sogar gesteigert hat.

Grit Eismann