Thema des Monats Januar 2018

Kohlenhydrate am Abend

In der Gesundheits- und Fitnessindustrie gibt es eine gewaltige Flut an Informationen bezüglich Training, Ernährung, Motivation oder einen gesunden Lebensstil. Viele der Informationen sind durchaus akkurat und anwendbar auf die Ziele des Sporttreibendens. Aber es existiert auch viel Halbwissen, das nicht auf wissenschaftlichen Daten basiert oder das aufgrund falscher Interpretation derer entstanden ist.

Ein häufiger Fragepunkt sind die Kohlenhydrate. Gerade nach den Festtagen, wo viel gegessen und getrunken wird, will sich jeder an der Nase nehmen und die angegessenen Kilos wieder loswerden. Ein oft zitierter Spruch der in dem Kontext auftritt, ist der, abends keine Kohlenhydrate zu essen. Werden diese nämlich am Abend konsumiert, machen sie dick.
Aber ist das wirklich so? Schauen wir uns mal an was die Wissenschaft dazu sagt.

Die Frage die man zu Beginn stellen muss, ist, woher die Idee überhaupt kommt. Viele „Experten“ die diesen Ansatz vertreten, begründen ihre Theorie damit, dass der Stoffwechsel am Abend und im Schlaf runterfährt/verlangsamt. Das führe dazu, dass Kohlenhydrate dann vermehrt in Fett gespeichert werden, da man sich nicht mehr bewegt sowie tagsüber – klingt logisch!

Ein weiterer Punkt der in diesem Kontext genannt wird, ist das Insulin. Denn Insulin ist ein Peptidhormon, das unter anderem die Fettverbrennung hemmt und die Fettspeicherung anregt. Ausserdem fördert es den Glukosetransport in die Zelle. In diesem Zusammenhang wird oft von der sogenannten Insulinsensibilität gesprochen. Ist diese tief, muss mehr Insulin ausgeschüttet werden und umgekehrt. Es gibt Studien die gezeigt haben, dass am Abend die Insulinsensibilität und die Glukosetoleranz schlechter sind wie nach dem Frühstück. Respektiv bleiben Insulin –und Glukosewerte länger erhöht, wie morgens. Ein weiterer Beweis?

Betrachten wir zuerst den Aspekt des heruntergefahrenen Stoffwechsels:

Stoffwechsel

Dazu gibt es eine Studie aus dem Jahre 2009 von Katoyose Y. In dieser wurde auch gezeigt, dass die Stoffwechselrate nach dem Einschlafen um bis zu 35% gesenkt wird!

ABER: weiter wurde in dieser Studie festgestellt, dass die Stoffwechselrate während des Schlafes wieder erhöht wird. Nämlich in der sogenannten REM-Phase – wenn wir träumen. Dementsprechend gibt es wechselnde Anstiege und Abfälle der Stoffwechselaktivität. Im Endeffekt hat man rausgefunden, dass über einen Schlafzyklus verteilt, die nächtliche Stoffwechselrate sich kaum davon unterscheidet, wenn wir wach sind und im Büro unserer Arbeit nachgehen.
Der wichtigste Punkt dieser Studie ist der folgende: die Forscher haben rausgefunden, dass die Stoffwechselrate bei Personen die sportlich aktiv sind im Schlaf sogar erhöht ist!

Fazit: wer regelmäßig ins Training geht oder sich sonst sportlich betätigt, dessen Stoffwechsel wird nicht langsamer über Nacht, sondern der wird sogar schneller!

Insulin

Nun betrachten wir noch, was es mit dem Insulin und der oft genannten Glukosetoleranz auf sich hat.

Wenn man die Blutkonzentration betrachtet, bleiben sowohl Glukose als auch Insulin länger erhöht bei Mahlzeiten, die am Abend eingenommen werden im Vergleich mit dem Frühstück. Das heißt doch, dass wir keine Kohlenhydrate essen sollten am Abend? Denn die Insulinsensibilität ist niedriger wie wenn wir morgens essen.

So einfach ist es leider nicht. Der Grund dafür, wieso die Insulinsensibilität morgens erhöht ist, resultiert daraus, dass man die Werte dafür nach einer achtstündigen Fastenperiode (Schlaf) ermittelt hat. Will man einen relevanten Wert, muss man die Insulinsensibilität von Mittagessen und Abendessen vergleichen und da ergeben sich keine statistisch relevanten Unterschiede. Heißt im Endeffekt, die Insulinsensibilität spielt hier keine entscheidende Rolle.

Das war jetzt viel theoretisches Fachgeschwafel. Doch wie sieht es nun in der Praxis aus?
Zum Glück gibt es auch hierfür eine Antwort:

Sofer S. et al. vom Institut für Biochemie und Ernährungswissenschaft der Universität von Jerusalem haben untersucht, wie sich der menschliche Körper verändert, wenn Kohlenhydrate zum grössten Teil abends gegessen werden.

Dazu hat man über 6 Monate hinweg 2 Personengruppen untersucht. Beide konsumierten dieselbe Anzahl Kalorien und Makronährstoffe (Eiweiße, Fette, Kohlenhydrate). Der einzige Unterschied bestand darin, dass die eine Gruppe 80% ihrer Kohlenhydrate abends zu sich nahm.

Was die Forscher herausfanden ist erstaunlich. Die Gruppe, die ihre Kohlenhydrate abends konsumierte, hatte mehr Gewicht verloren, der Körperfettanteil sank, sie hatten weniger Hunger und auch die Cholesterinwerte verbesserten sich.

Aus diesen Erkenntnissen lässt sich schließen, dass Kohlenhydrate am Abend uns nicht automatisch dick machen!

Nichts desto trotz hat das auslassen der Kohlenhydrate abends seine Berechtigung. Durch das Weglassen der Kohlenhydrate am Abend ist es durchaus möglich das Körpergewicht zu reduzieren. Dies liegt aber an der daraus resultierenden negativen Kalorienbilanz (man isst weniger) und nicht an den „bösen“ Kohlenhydraten.

Quellen:
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/21475137
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/19394978
https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/8901836
Silbernagl (2012) Taschenatlas Physiologie

Micha Häberlin